Wiederfinden der Identität // Shammah Lee

Steckbrief

Eckdaten

Absolvent:
Shammah Lee
Studiengang:
Architektur
Abschluss:
Master of Science
Betreuer:
Dipl.Ing. Frank Tebroke
Prüfer:
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Uwe Schröder
Co-Prüfer:
Univ.-Prof. Dipl.-Ing Hartwig N. Schneider
Einrichtung:
Lehrgebiet Raumgestaltung
 

Die neue koreanische Botschaft

Topos

Die Tiergartenstraße ist die nördliche Grenze des Diplomatenviertels und eine Grenze zwischen Natur und Stadt. Im Norden der Straße befindet sich ein dichter Wald, der sich nicht wie eine Großstadt anfühlt. Gegenüber im Süden liegen sieben Botschaften und eine Landesvertretung des Landes Baden-Württemberg. Die repräsentativen Hauptfassaden der Botschaften, an denen jeweils die Kultur und Geschichte ihres Landes architektonisch beschrieben wurden, sind alle der Tiergartenstraße zugewandt. Sie erwecken ein wenig den Eindruck, zu einer internationalen Architekturausstellung zu kommen.

In der Tiergartenstraße stehen Natur und Stadt gegenüber, aber sie scheinen sich nicht zu widersprechen. Der Grund dafür ist, dass der Raum durch den Gebäudeversprung treppenförmig gebildet ist und so die Natur (dunkelblau) und der gefasste Raum (rot) ineinander greifen. (Siehe RBP)

Aufgrund dieses abgestuften Raums ändert sich der Anblick der Tiergartenstraße in Abhängigkeit von der Blickrichtung.

I. Wenn man die Straße von Osten (von der Ben-Gurion-Straße) betrachtet, sieht man die repräsentativen identitätsstiftenden Hauptfassaden der Botschaften. Die Abstufung der Hauptfassaden wiederholen sich treppenförmig und entwickeln eine Regelmäßigkeit. Es wirkt so, als ob jede Botschaftsfassade ein Kunstwerk wäre, das an der Wand ausgestellt sind. Und die Straße wäre dann der Flur der Galerie.

II. Wenn man die Straße von Westen (von Hofjägeralle) betrachtet, sieht man keine Hauptfassade, sondern nur die seitlichen Fassaden der Botschaften, die relativ ruhig sind. Daher kann man den örtlichen Kontext deutlicher lesen.

Typus

Eine Botschaft ist wie ein „fremder Punkt“, der auf einem anderen Land mit einer völlig anderen Kultur liegt. In einer Botschaft existieren zwei unterschiedliche Arten von Räumen. Einerseits handelt es sich um einen physischen Raum, in dem sich das Gebäude befindet. Andererseits handelt es sich auch um einen unsichtbaren Raum, der durch Politik und Gesetz geschaffen wird. Die Botschaft ist der dritte Raum, der durch die parallele Existenz der beiden Räume in einem Ort entsteht.

Aufgabe ist es, einen Entwurf für die koreanische Botschaft zu planen, in der die koreanische sowie die deutsche Baukultur berücksichtigt werden. Die Botschaft soll das Heimatland repräsentieren, ohne die vor Ort vorhandene Umgebung und herrschende Kultur zu missachten.

Die gewünschte Harmonie und Verschmelzung sollen nicht nur durch das Äußerliche, Sichtbare wahrgenommen werden, sondern auch durch den Geist und die Philosophie der Raumerzeugung. `

Geschichte ist und war schon immer eine Inspiration und Motiv für die zeitgenössische Architektur. Jedoch sollte nicht blind auf traditionelle Referenzen vertraut werden, sondern vielmehr analysiert werden, welche Eigenschaften und Details zu übernehmen sind.

Die architektonische Tradition soll mit einem modernen Sinn wiedergeboren werden. In diesem Prozess wird versucht, den Geist der traditionellen koreanischen Architektur fortzusetzen und in die deutsche Architektur zusammenzuführen.

Materialität und Immaterialität

Das Gelände der Botschaft ist eine Koexistenz des Materiellen und des Immateriellen; geformt durch die politisch-rechtlichen Bestimmungen unter dem Begriff der Immaterialität wird deutsches Land zu koreanischem. In der Materialität der Architektur spielen Struktur und Gefüge die wichtigste Rolle. Das durch vier Säulen und Balken aufgebaute koreanische Konzept des Raumes wird in deutsches Mauerwerk übersetzt. In dieser Transformation nehmen die Elemente der Durchwegung, Schwellen, Fenster und Türen, die Proportionen an, die in der traditionellen koreanischen Architektur zu finden sind. Begibt man sich entlang der mit rotem Backstein verkleideten Außenhülle in das Gebäude, gelangt man in den Innenhof, der im Zentrum des Ensembles steht und durch Fenster, die der traditionellen koreanischen Bauweise in Tempeln nachgeahmt sind, umgeben ist. Das Gefüge der Materialität – rote Backsteinarchitektur mit traditionell koreanischen Elementen – drückt das Raumgefühl aus, das in deutscher als auch in koreanischer Architektur zu spüren ist.

Rationalismus als ein Werkzeug

Es gibt unterschiedliche Wege, Tradition neu zu interpretieren. Ziel dieses Masterprojektes ist es, den Rationalismus der deutschen Architektur in das Koreanische zu übersetzen.

Rationalismus ist eine Architekturrichtung, die in Deutschland seit jeher stark vertreten ist. Die italienische Architektur der Renaissance, die rationalistische Architektur von Karl Friedrich Schinkel und Andrea Palladio, beeinflusst auch heutzutage viele zeitgenössische deutsche Architekten.

In dem Botschaftsentwurf trifft das koreanische „Khan“, eine horizontal räumliche Architektursprache, auf den Rationalismus und dehnt sich in das Vertikale aus. Diese räumliche Ausdehnung in das Horizontale und Vertikale bildet die Form der drei Gebäude des Ensembles. Die zwei kleineren Gebäude definieren sich neu als „Sarangchae“. Diese werden durch einen Korridor untereinander und mit dem Hauptgebäude verbunden.

Hof als Haus

Wie aus der Untersuchung der Arten traditioneller koreanischer Architektur hervorgeht, ergeben sich in der koreanischen Architektur zahlreiche räumliche Strukturen, je nachdem, wie der Raum um den Hof verteilt ist. Unter diesen war die einfachste und häufigste Form, die „ㅁ”-förmige Struktur genommen welche auch auf dieses Projekt angewendet wurde. Der Innenhof im Erdgeschoss wird als Außenraum wahrgenommen, welcher durch leichte Holz-Textil-Elemente abgetrennt wird. So schauen Botschafter und Besucher aus einem Zimmer in den durch Oberlichter ausreichend mit Licht versorgten Innenhof. Im Obergeschoss wird das Innenhofkonzepts für die Mitarbeiter der Botschaft erneut aufgegriffen. An beiden Enden der gegenüberliegenden Bürogebäude befindet sich ein geradliniger Korridor, sodass ein Innenhof geformt wird. Dieser Hof wird zu einem Veranstaltungs- oder einem Rastplatz für die Mitarbeiter.

Vom kleinen bis zum großen Maßstab

Aus räumlicher Sicht ist das Botschaftsgebäude innerhalb des Zauns eine kleine Stadt und ein Haus. So wie koreanische Häuser durch Anchae- und Sarangchae-Häuser klar in private und öffentliche Räume unterteilt sind, kann man in der Botschaft auch Anchae-Häuser, Residenz, Büroräume, usw. und Sarangchae-Häuser, Veranstaltungsraum, Besucherbereich, usw. erkennen. Auch im kleiner werdenden Maßstab wiederholt sich diese Unterteilung.

Das Projekt basiert auf einem „Khan“ hier 3 x 3 m. In diesem einzelnen Raum werden drei verschiedene Module entsprechend der Funktion des Raums eingefügt und miteinander verbunden, um die Größe des Raums zu bestimmen.

Das kleinste „Khan“ ein 3x3m-Quadrat wird zu einem 6x6m-Quadrat und bildet im größeren Maßstab wieder ein großes 12x12m-Quadrat. Auf diese Weise ändern die Zellen dem Maßstab entsprechend auch ihre Größe in S,M,L.

Hof

Ein Haus in der traditionellen koreanischen Architektur besteht aus zwei Häusern, dem Anchae- und Sarangchae. Die beiden geraden Häuser ordnen sich entlang der Baugrenze typischerweise parallel an. Wenn sie eine L-Form bilden, rahmen die beiden Häusern einen Innenhof. In kalten Regionen oder wenn der Ort eng ist, werden die Häuser zu einer „ㅁ“-Form geschlossen und umschließen den Innenhof vollständig. Der Innenhof eines koreanischen Hauses ist ein Wohnraum, eine Erweiterung der Räume. Er ist ein Ort für ein heißes Sommerdinner, ein Ort zum Sitzen und Ausruhen und ein Ort der Rituale für wichtige Zeremonien wie Hochzeiten. Auf der anderen Seite ist es ein Ort zum Schütteln und Trocknen von Reis sowie ein Ort, an dem Getreide ausgelegt wird. Daher sollte es hier keine Bäume oder Gras geben. Zwischen den Zimmern und dem Innenhof gibt es einen überdachten zum Hof geöffneten Bereich namens Maru.

Horizontal in die Vertikalität

Traditionelle Bauten Koreas wurden größtenteils eingeschossig errichtet. In der Palastarchitektur, die aus mehreren Bauten bestand, hatte jedes Gebäude eine eigene Funktion. Die Bauten wurden durch den Gang durch die Natur miteinander verbunden. Um die Bewohner vor Regen zu schützen, wurde dieser als überdachter Korridor ausgebildet.

Der Entwurf der koreanischen Botschaft ist klar horizontal ausgerichtet. Die einzelnen Gebäude des Ensembles haben jeweils eigene Funktionen. Unter Verwendung des horizontalen und einfachen Konzepts „ein Gebäude, eine Funktion“ der koreanischen Architektur plante ich in diesem Projekt ein Gebäude pro Abteilung zu haben. Jede Abteilung erhält einen Raum mit zwei Etagen. Dabei ist der Ruhe- oder Besprechungsraum unter dem Arbeitsbereich konzipiert. Diese zweistöckigen Abteilungsgebäude sind wie der Innenhof vertikal angeordnet. Eine auf diese Weise geplante vertikale Struktur wird erneut horizontal wiederholt, um die oben genannte koreanische Horizontalausrichtung zu verdeutlichen.

Kontakt zum Absolventen: