Additive Fertigungsverfahren mit Feinbeton : Baupraktische Grundlagen und Entwicklungsbeispiele zu digitaler Planung, Betontechnologie und Verfahrenstechnik für die schichtweise und schwebende Feinbetonextrusion
- Additive manufacturing with fine concrete : practical construction principles and development examples of digital design, concrete technology and process engineering for layered and floating fine concrete extrusion
Adams, Thomas Julian; Brell-Cokcan, Sigrid (Thesis advisor); Vollpracht, Anya (Thesis advisor)
Aachen : RWTH Aachen University (2023)
Doktorarbeit
Dissertation, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 2023
Kurzfassung
Beton ist der weltweit mit Abstand am meisten verwendete Baustoff und bestimmt aufgrund seiner reichlichen Verfügbarkeit, geringen Kosten und hervorragenden Dauerhaftigkeit maßgeblich die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit im Bauwesen. Konventionelle Betonbauverfahren sind vielseitig und ermöglichen bereits heute eine Vielzahl unterschiedlicher Betonbauteile durch Schalungs-, Spritz- oder Extrusionsverfahren. Individuelle und komplexe Betonbauteile sind jedoch nur eingeschränkt realisierbar und erfordern eine intensive, überwiegend manuelle Schalungsplanung und -herstellung. Die additive Fertigung mit Beton hat sich daher in den letzten zehn Jahren in Forschung und Entwicklung zu einem Megatrend im Bauwesen entwickelt. Getrieben von den zunehmenden Gestaltungsmöglichkeiten der digitalen Planung, der Verknappung von Personal- und Baustoffressourcen und den Potentialen in der Betonentwicklung durch leistungsfähige Zusatzmittel wurde eine Vielzahl von additiven Fertigungsverfahren für die CAD-gestützte und schalungslose Betonverarbeitung entwickelt. Insbesondere die additive Fertigung der Betonextrusion gilt als vielversprechend und wird bereits für den in-situ-Gebäudedruck auf Baustellen und in Fertigteilwerken eingesetzt. Sie verspricht Zeit- und Kostenersparnis, Gestaltungsfreiheit, Attraktivität für Arbeitnehmer und widerstandsfähige Gebäude und gilt als Impulsgeber der Digitalisierung und Automatisierung im Bauwesen. Aufbauend auf den baupraktischen Grundlagen werden in dieser Arbeit die Gestaltungsmöglichkeiten und Anwendungspotentiale der additiven Fertigung mit Beton hinsichtlich der drei Kernthemen untersucht: Betontechnologie, Verfahrenstechnik und digitale Planung. Dabei werden zwei Fertigungsansätze näher betrachtet: Die additive Fertigung mit Feinbeton in Schichten und schwebend in Stützsuspension. Für letzteren Ansatz wird ein neues Verfahrenskonzept zur dreidimensionalen Orientierung der Stränge in Kombination mit faserhaltigem Feinbeton vorgestellt. Für die Verfahren werden die Verfahrenseigenschaften und -ergebnisse ermittelt und im Hinblick auf architektonische, ökologische und ökonomische Anwendungspotentiale diskutiert. Das Ergebnis der additiven Fertigung mit Feinbeton in Schichten erweist sich, abgesehen von den architektonischen Vorteilen einer individualisierten, digital gesteuerten Fertigung von bogenförmigen Leichtbetonelementen, in den Material- und Verfahrenseigenschaften gegenüber konventionellen Betonbauweisen als nachteilig. Die verfahrensbedingten Steifigkeits- und Verarbeitungsanforderungen schränken den Einsatz von inerten Gesteinskörnungen und Recyclaten ein und die Feinbetone sind vergleichsweise bindemittellastig und damit CO2-intensiv und schwindempfindlich. Die anisotrope Festigkeit des Betons erfordert zusätzliche Bewehrung, um statisch relevante Biege- und Zugbeanspruchungen aufzunehmen. Die Integration der Bewehrung ist aufwändig und begrenzt die gestalterischen Vorzüge des Verfahrens. Die additive Fertigung in Suspension erweitert das Gestaltungspotential durch unbegrenzte Überhänge und die Stabilität der Feinbetonstränge im Raum. Sie bietet die Möglichkeit, filigrane und ultraleichte Fachwerkstrukturen aus Beton herzustellen, die mit konventionellen Verfahren nicht möglich sind. Beim derzeitigen Entwicklungsstand beeinträchtigen jedoch Maßungenauigkeiten beim Extrudieren oder Suspensionsablagerungen zwischen den Kontaktstellen die Tragfähigkeit der Bauteile, die gegenüber der Berechnung der Idealgeometrie um ein Vielfaches geringer ist. Ein dynamischer Druckkopf in Kombination mit Faserzementpasten bietet dabei das Potential, durch eine Orientierung der Faserzementstränge die Formstabilität und Zugfestigkeit des Materials zu verbessern und somit die Formstabilität und Zugfestigkeit der Strukturen zu fördern. Anhand eines skalierten Prototyps wurde der grundsätzliche Einfluss der Düsenorientierung auf die Festigkeitseigenschaften und die Formstabilität der Stränge gezeigt und zukunftsweisende Anwendungsmöglichkeiten der additiven Fertigung dargestellt. Eine Übertragung auf konstruktive Anwendungen ist derzeit jedoch nicht möglich und erfordert grundlegende Festigkeitssteigerungen der Faserbetone sowie Maßnahmen zur zerstörungsfreien Qualitätssicherung.
Einrichtungen
- Lehrstuhl für Individualisierte Bauproduktion [211510]
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2023-07898
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2023-07898