Nachruf Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Franz Krauss

26.04.2021
 

Professor Dr.-Ing. Franz Krauss ist am 20.4.2021 von uns gegangen.
Mit seinem Tod verliert die RWTH einen hochgeschätzten Kollegen, einen erfolgreichen Wissenschaftler und beliebten Lehrer.

Wir, er und meine Person, haben uns erst in seinem Ruhestand 2005 kennengelernt, nachdem ich die Nachfolge von Wilfried Führer auf den Lehrstuhl ‚Tragkonstruktionen‘, der zuvor noch ‚Baukonstruktion I‘ hieß, angetreten hatte. Franz Krauss war wie ich ein ‚Stuttgarter Gewächs‘, ein Schüler der ‚Stuttgarter Schule‘ zu deren berühmtesten
Repräsentanten wie Fritz Leonhardt, Jörg Schlaich und Frei Otto auch Krauss‘ Lehrer Curt Siegel (1911-2004) zählte.

Siegel hatte an der TH Stuttgart – wie sie damals noch hieß - die technische Ausbildung der Architekturstudierenden im Fach Statik revolutioniert in dem er den rein analytischen Ansatz der Lehre der Statik in Gestalt von allerlei Berechnungsverfahren um einen synthetischen Ansatz erweitert hatte, der die Konzeption und den Entwurf tragender Strukturen miteinbezog. Diese neue Lehrform der ‚Tragwerklehre‘, wie sie inzwischen an den meisten Hochschulen im deutschsprachigen Raum und an vielen europäischen Hochschulen und Fakultäten für Architektur etabliert ist, hatte Franz Krauss mit nach Aachen gebracht. Er verfügte bereits über umfangreiche Lehrerfahrung, die er zuletzt als Oberingenieur in Stuttgart an Siegels Institut gesammelt hatte. Die Verbindung von technisch-analytischer Lehre mit dem synthetischen Ansatz des Entwurfes von Tragwerken führte dazu, dass mit Franz Krauss‘ Berufung nach Aachen der Lehrstuhl ‚Baukonstruktion I‘ zu einem Entwurfslehrstuhl aufgewertet wurde.

Die Gespräche, die ich mit Franz Krauss führte, hatten natürlich auch das Stuttgarter Umfeld zum Thema: der Ort Münklingen, in dem Krauss damals wohnte. Dort gibt es ein Naturschutzgebiet, der ‚Büchelberg‘, den wir beide, unabhängig voneinander kannten und schätzten. Franz Krauss engagierte sich zeitlebens für den Naturschutz und bevorzugte eine naturverbundene Lebensweise. Oder wir sprachen über sein Ingenieurbüro, das er als ausgebildeter Architekt zusammen mit Ingenieuren in Stuttgart gegründet und betrieben hatte, damals ein absolutes Novum.

Franz Krauss hatte an der TU Graz Architektur bis zum Vordiplom studiert. Er wechselte 1954 an die TH Stuttgart und machte dort 1958 sein Diplom. Nach Ende des Studiums nahm er eine Assistenz bei Curt Siegel auf und wirkte u.a. an dessen berühmter Mono-graphie ‚Strukturformen der modernen Architektur‘ mit. 1969 wurde Franz Krauss von Curt Siegel als Hauptreferent und Walter Pelikan von der Bauingenieurfakultät als Kore-ferent mit dem Thema ‚Hyperbolisch paraboloide Schalen aus Holz‘ mit dem Prädikat ‚sehr gut‘ promoviert. 1972 folgte er schließlich dem Ruf an die RWTH-Aachen an den Lehrstuhl Baukonstruktion I, um dort als Ordinarius zu wirken.

Franz Krauss war bei den Studierenden sehr beliebt und stets bestrebt, die eher trocke-ne Materie der Statik durch anschauliche Vergleiche und mit Hilfe von Modellen zu vermitteln. ‚Holz ist ein Röhrenbündel‘, mit dieser Umschreibung fasste er die mechanisch komplexe, anisotrope Materialbeschaffenheit des Holzes in einem einfachen, aber absolut zutreffenden Bild zusammen. Sein ausgeprägter Deklamationsstil und der koronal gesprochene Buchstabe ‚r‘, eine Reminiszenz an seine Prager Herkunft, taten ein Übriges, so dass der Lehrstoff bei den Studierenden gar nicht in Vergessenheit geraten konnte. Seine Mission für die Tragwerklehre manifestiert sich in den Büchern ‚Grundlagen der Tragwerklehre I+II‘ einschließlich eines Tabellenbuches. Die Bücher sind bis heute ein großer Erfolg und haben sich an vielen deutschsprachigen Hochschulen als Lehrbuchstandard verbreitet.

Zu seinen wissenschaftlichen Interessengebieten zählten die Schalen und Gewölbe und die graphostatische Analyse, zu welchen auch Forschungsarbeiten und Promotionen entstanden sind. Viele von Franz Krauss‘ Assistentinnen und Assistenten wurden promoviert, einige sind uns noch bekannt, weil sie noch oder bis vor kurzem an der RWTH Aachen tätig waren, wie Dr.-Ing. Klaus Pütz und apl. Prof. Dr.-Ing. Rolf Gerhardt. Noch mehr seiner Assistentinnen und Assistenten haben Stellen als Professorinnen oder Professoren übernommen und seine Lehr- und Forschungsideale an andere Hochschulen weitergetragen.

Franz Krauss hat unsere Fakultät in vielfältiger und nachhaltiger Weise geprägt. Er war ein streitbarer Charakter für seine berufliche Botschaft und ein Idealist. Franz Krauss wirkte mit seiner Ausstrahlung und seinem Wissen und legte keinen Wert auf Hoffärtigkeiten.

Wir verabschieden uns von ihm in großer Dankbarkeit und sprechen seiner Ehefrau Marianne und seinen Kindern Max, Susanne und Wolfgang unser tiefes Mitgefühl aus.

Martin Trautz
Sabine Brück